Weil ich es will

Buchbesprechung über: Markus Hoffmann (Hrsg.), Weil ich es will. Homosexualität. Wandlungen. Identität. 39 Lebensberichte, Basel, Fontis-Verlag 2023, 424 Seiten.

Der Buchtitel ist aufschlussreich: Weil ich es will. Hier kommen Menschen zu Wort, die nach einem langen und in der Regel schmerzhaften Weg der Auseinandersetzung mit ihrem homosexuellen Empfinden einen Weg gefunden bzw. eine Entscheidung getroffen haben. Dieser Weg verläuft jenseits der vielfach kommunizierten und hinlänglich bekannten homosexuellen Muster. Einige der Autorinnen und Autoren leben bewusst ledig und verzichten auf Sexualität. Andere hingegen sind verheiratet, weil sie eine Öffnung ihrer homosexuellen Gefühle in Richtung Heterosexualität erlebt haben. Manche von ihnen nehmen sowohl heterosexuelle wie auch homosexuelle Impulse in ihrem Leben wahr. Der Herausgeber Markus Hoffmann und sein Begleiterteam stellen in diesem Buch eine eindrucksvolle Sammlung spannender Zeugnisse zusammen, in denen Menschen tiefe Einblicke in ihre Sehnsüchte und Bedürfnisse, Verletzungen und Ängste im Bereich ihres sexuellen Empfindens geben. Die abgrundtiefe Not und die Kämpfe homosexuell Empfindender kommt dabei ebenso zur Sprache wie die Kraft menschlicher Beziehungen und Freundschaft und nicht zuletzt die positive, lebensfördernde Kraft des christlichen Glaubens und der Beziehung zu Jesus Christus.

Markus Hoffmann schreibt, dass man sein Buch aus unterschiedlichen Perspektiven lesen kann. So kann man es als Betroffener, als Seelsorger, als jemand, dem sich jemand mit gleichgeschlechtlichen Empfindungen anvertraut oder auch als Kritiker lesen. Ich selbst habe es aus der Perspektive des Seelsorgers und auf dem Hintergrund der Erfahrung, dass sich mir Menschen mit ihrem homosexuellen Empfinden anvertraut haben, gelesen. Dabei habe ich nicht nur sehen gelernt, wie komplex, individuell und verschiedenen das Zustandekommen homoerotischer Empfindungen sein kann. Es gibt keine Schablonen. Ein noch viel größerer Erkenntnisgewinn war für mich allerdings, dass im Erleben homosexueller Impulse nicht den Gefühlen die zentrale Bedeutung zukommt, sondern es im Kern um eine viel tiefer liegende Frage geht, nämlich um die der eigenen Identität. Wie kann die vielfach, auf dem Hintergrund familiärer oder gesellschaftlicher Erfahrungen verunsicherte Persönlichkeit zu ihrer echten und wahren Identität finden. Diese Frage ist Thema in beinahe jedem der Zeugnisse. Die Ich-Findung und nicht die Heilung bzw. Veränderung von Gefühlen steht daher im Zentrum. Freundschaften und Beziehungen, in denen das „Verkrümmt-Sein-in-sich-selbst“ aufgebrochen wird, spielen dabei die entscheidende Rolle. Für Seelsorger öffnet sich durch die Zeugnisse nicht nur ein Fenster in das homosexuelle Empfinden und Erleben von Männern und Frauen. Darüber hinaus gewinnt man einen differenzierten Einblick in die Verästelungen des seelischen Erlebens von uns Menschen überhaupt. Beeindruckend ist, wie dieses innere Erleben offen und ehrlich, immer sachlich und stets ohne Pathos präsentiert wird.   

Herausgeber Markus Hoffmann und auch der Fontis Verlag setzen mit diesem Buch ein Ausrufezeichen. Mitten in unseren gesellschaftlichen und kirchlichen Debatten um LGBTQ+ meldet sich hier eine alternative Stimme zu Wort. Diese Stimme sollte von allen, die sich als Betroffene, als Seelsorger oder auch als Kritiker, ernsthaft mit dem Thema befassen, gehört, ernstgenommen und nicht mit lautem Getöse überschrien werden. Hier berichten Menschen, was sie an sich selbst und mit Gott erlebt haben. Ihre Stimmen verdienen Gehör!

Dr. Rolf Sons