Und das sollen Lügen sein?

Alisa Childers, die wir von dem starken Buch „ANKERN – Eine Verteidigung der biblischen Fundamente in postmodernen Gewässern“[1] kennen, hat ein neues, wie ich finde, ziemlich aufregendes Buch vorgelegt: „LEB DEINE WAHRHEIT und andere Lügen – Typische Täuschungen, die unser Leben in die Enge treiben“.[2]

Welche „Wahrheiten“ entlarvt sie als Lügen? Ich nenne einfach die Slogans, die Alisa Childers als Kapitelüberschriften setzt: „Leb deine Wahrheit!“ „Du bist genug.“ „Du sollst dich an die erste Stelle setzen.“ „Authentizität ist alles.“ „Du lebst nur einmal.“ „Gott möchte nur, dass du glücklich bist.“ „Du sollst nicht urteilen!“ „Du bist dein eigener Herr.“ „Nur die Liebe zählt.“ „Frauenpower ist die Power.“

Habe ich richtig vermutet? Der Blutdruck steigt, wenn man die Sätze liest und sofort mitdenken soll: Und das sollen Lügen sein?

„Diese netten, kleinen Lügen sind plakative Behauptungen, die gut, zuverlässig, optimistisch und konstruktiv klingen.“ „Manchmal sind sie fast komplett wahr. Aber dieses eine kleine Stückchen, das fehlt und damit die Bedeutung verdreht – ist das Zünglein an der Waage.“(9) Die Autorin ist „überzeugt: Sich auf solche Sprüche zu verlassen, kann unnötige Schmerzen und Verwirrung verursachen.“ (8)

Die Autorin schreibt sehr offen über ihre persönlichen Erfahrungen, auch über schmerzliche. Sie tut das geistreich, mit Witz und auch etwas Ironie. Man kann ja mal raten, welche der folgenden Worte den oben genannten Slogans schon in den Kapitelüberschriften zugeordnet sind: Flugzeuge, Hosen, Kobolde, Eis am Stiel, Armageddon, Cheerleader, New York, Moskitos, Besserwisseritis, Freunde, Jukebox, Vorurteile, Todesmarsch.

Worum geht es der Autorin? „Wir erkunden die ich-zentrierten, kulturellen Lügen, die uns nicht nur ängstlich, selbstbezogen und erschöpft machen, sondern dem widersprechen, wie Gott uns laut Bibel anweist zu leben.“ (217)

Auch für dieses Buch gilt, was ich über ihr früheres, immer noch sehr empfehlenswertes Buch ANKERN schrieb: „Das Buch verbindet persönliches Erleben mit durchdachter Theologie.“

Als Musikerin sind ihr Emotionen wichtig. Aber sie können nicht die Grundlage unseres Lebens und Glaubens sein. „Wenn wir die Wahrheit kennen, können unsere Emotionen den ihnen zustehenden Platz einnehmen.“ (219)

Sie begründet, warum sie die Bibel für die maßgebende Autorität für unser Leben hält. Und sie unterstreicht: „Als Christen müssen wir zulassen, dass unsere Wahrnehmung von Jesus durch die Heilige Schrift geleitet wird und nicht von Erfahrungen, mystischen Begegnungen und Träumen.“ (219) „Zu wissen, was wahres Christentum ist, bedeutet, den wahren Jesus zu kennen.“ (218) Mit Selbstverständlichkeit empfiehlt sie dann, die vier Evangelien zu lesen. „In der Geschichtswissenschaft werden Fakten, für die es mehrere eindeutige Zeugen gibt, als zuverlässig angesehen. Diese vier Bücher sagen uns alles, was wir über Jesus wissen müssen.“ (218)

Ich stimme ihr zu. Zugleich denke ich traurig daran, dass ich schon in meinem Theologiestudium hören musste, dass an den Evangelien eigentlich nichts historisch zuverlässig ist (so behaupteten die meisten der theologischen Lehrer) oder aber sehr vieles nicht (so andere). Selbst moderate Bibelwissenschaftler hielten und halten bis heute große Teile der Evangelien für sogenannte Gemeindebildung. Und da liegt bis heute der wunde Punkt. Wer die Bibel nicht liest, weil er kein Vertrauen in die Glaubwürdigkeit der Bibel hat, bastelt sich seine eigenwilligen Vorstellungen von Jesus und sucht dann Orientierung in den eigenen Gefühlen und den gängigen Slogans.

Alisa Childers trifft viele neuralgische Punkte, den schmerzlichsten wohl, als es um „die aktuelle gesellschaftliche Definition von Liebe“ geht. Sie zitiert: „Liebe kennt kein Aber. Wenn du mich verändern möchtest, liebst du mich nicht.“ (182) An der Begegnung zwischen Jesus und dem reichen jungen Mann (Markus 10) zeigt sie, wie die ausdrückliche Liebe Jesu zu diesem Mann die Zumutung der Veränderung enthält. Der wird sauer und geht weg. Hat Jesus ihn nicht wirklich geliebt?

Das Buch schließt mit dem Kapitel „Das Kreuz“.

„In einer Welt, welche die Botschaften, ‚Du bist genug‘, ‚Du bist perfekt, wie du bist‘ und ‚Folge deinem Herzen‘ feilbietet, kann sich die Vorstellung, dass ‚du ein Sünder bist, der einen Erretter braucht‘ wie ein Todesmarsch anfühlen. Denn in vieler Hinsicht ist es das auch.“ (226)

„Das Kreuz ist die Antwort auf jede Lüge, die mir sagt, dass ich alles, was ich brauche, in mir selbst finden kann.“ (227)

Das Wort vom Kreuz ist das entscheidende Schlusswort des Buches. Zuvor gibt, erläutert und begründet Alisa Childers drei Tipps, „wie man in einer Kultur, die dem Christentum konträr gegenübersteht, die Wahrheit des Evangeliums lebt“ (217):

  1. Erkenne die Wahrheit.
  2. Sei bereit, in kleinen Dingen zu leiden.
  3. Verpflichte dich der Wahrheit, komme, was wolle.

Ich hoffe, dieses Buch wird von vielen gelesen.

Alisa Childers, LEB DEINE WAHRHEIT und andere Lügen -Typische Täuschungen, die unser Leben in die Enge treiben, Fontis-Verlag 2023, 240 Seiten, 19,90 Euro

https://www.fontis-shop.de/products/leb-deine-wahrheit-und-andere-luegen

Ulrich Parzany


[1] „ANKERN – Eine Verteidigung der biblischen Fundamente in postmodernen Gewässern“, Fontis-Verlag Basel 1921, 304 Seiten, https://www.bibelundbekenntnis.de/apologetik/ankern-eine-verteidigung-der-biblischen-fundamente-in-postmodernen-gewaessern/,

[2] Fontis-Verlag 2023, 240 Seiten, 19,90 Euro