Tobias Eißler: Einheit der Kirche in Wahrheit!

Der Kampf in der Evangelischen Kirche in Württemberg geht nicht nur die Schwaben etwas an. Alle vier Prälaten (Regionalbischöfe) und viele Dekane fordern dort, dass die öffentliche Segnung gleichgeschlechtlicher Paare eingeführt wird, obwohl ihre Landessynode das gerade abgelehnt hat. Die Stuttgarter Zeitung unterstützt massiv, was sie als „Kirchenrevolte“ bezeichnet.

Jetzt kann man nur hoffen, dass die Leiter der  Lebendigen Gemeinde – ChristusBewegung und der Gemeinschaftsverbände den Christen klar sagen, dass es in dieser Frage keine Kompromisse gibt. Die Befürworter der Homo-Segnung lassen keinen Zweifel daran, dass sie nur mit der Durchsetzung ihrer ganzen Forderung zufrieden sein werden. Den Schwaben sage ich: „Verlasst euch nicht darauf, dass ihr durch irgendwelche Kompromisse in eurer Kirche Schlimmeres verhindern könnt. Bereitet euch und eure Gemeinden und Gemeinschaften darauf vor, dass ihr dem Wort Gottes vertraut und gehorcht, egal, was eure kirchenleitenden Gremien beschließen!“

Der folgende Kommentar von Dr. Tobias Eißler, Pfarrer in Ruit und Vorsitzender Pfarrerarbeitsgemeinschaft CONFESSIO in Württemberg, kommt zur rechten Zeit. Ich empfehle dringend die Lektüre.        Ulrich Parzany

„Sollte Gott gesagt haben…?“

Die württembergische Synode und das evangelische Schriftprinzip

Ein Kommentar von Pfarrer Dr. Tobias Eißler

Ende November 2017 hat die württembergische Synode über das „Kirchliche Gesetz zur Einführung einer Ordnung der Amtshandlung anlässlich der bürgerlichen Eheschließung zwischen zwei Personen gleich Geschlechts“ abgestimmt. Die für dieses Gesetz erforderliche Zweidrittelmehrheit wurde knapp verfehlt (62 Ja-Stimmen/ 33 Nein-Stimmen/ 1 Enthaltung). Infolgedessen bleibt es in der württembergischen Kirche dabei, dass der Bräutigam seine Braut zum Altar führt, nicht etwa der Mann einen Mann oder die Frau eine Frau. Die sogenannte „Homosegnung“ oder „Homoehe“ würde nicht weniger bedeuten als einen Bruch mit 2000 Jahren Christentum und 4000 Jahren Judentum im Verständnis dessen, was Ehe ist und was Gott segnet. Die dokumentierten Voten aus der Synode zeigen, dass eine Mehrheit diesen Bruch für richtig hält und rechtfertigt. Darüber kann man aus der Sicht einer biblisch-reformatorischen Theologie nur erschrecken.

  1. Unklare Bibel?

Die Synode sei sich nicht einig, wie die Heilige Schrift zur Frage der öffentlichen Segnung stünde, äußert ein Vertreter des Oberkirchenrats (beraten und beschlossen 3/2017, 1). Schon der Ansatz der Frage verschleiert die eigentliche Frage, die im Raum steht: Gibt die Heilige Schrift eine klare Auskunft darüber, wie Gottes Wort praktizierte Homosexualität bewertet? Auch die entschiedensten Befürworter der Homosegnung kommen an den biblischen Verwerfungen der praktizierten Homosexualität nicht vorbei. Die grundsätzliche Auskunft des Apostels Paulus in Römer 1,26f lautet, dass ein derartiger Verkehr der Geschlechter eine Folge der Verkennung des Schöpfers und eine Verkehrung des Natürlichen, Vernünftigen, Anständigen und Gesunden ist. Die pervertierte Orientierung auf dasselbe Geschlecht hin steht unter dem Zorn und Gericht Gottes (Rö 2,5.8). Die Idee, das zu segnen, was Gott als Sünde definiert und mit Ungnade bedroht, stellt die Auskunft des Apostels auf den Kopf. Die Idee trägt selbst die Signatur der Verkehrung an sich. Sie erinnert an die Frage der Schlange im Paradies: „Sollte Gott gesagt haben…? (1.Mo 3,1)

Bekanntlich fehlt es nicht an Argumentationsversuchen, die das biblische „Nein“ zur gleich-geschlechtlichen Paarung als zeitbedingt und überholt erweisen möchten. In der Synode unterscheidet ein Redebeitrag zwischen der Position, die den historischen und gesellschaftlichen Kontext der Bibel beachte, und der andern Position, die bleibende Gültigkeit behaupte (bub 1). Doch gerade der Blick auf den Kontext, nämlich die Offenheit der griechisch-römischen Gesellschaft für das Gleichgeschlechtliche, zeigt das Anstößige und Spezifische der jüdisch-christlichen Haltung. Die Evangelisierung des Mittelmeerraumes bringt eine Art von Kultur-revolution zuwege mit dem Ergebnis, dass man das Schöpfungsgemäße achtet und das biologisch Sinnlose ächtet. Die biblische Wertung ist alles andere als eine Anpassung an den Kontext. Ihr durchgängiges „Nein“ lässt sich nicht in ein „Ja“ umbiegen.

  1. Unklares Bekenntnis?

Die Synode sei sich nicht einig, wie die reformatorischen Bekenntnisschriften zur verhandelten Frage stünden, heißt im bereits oben angeführten Votum (bub 1). Nun war die Frage der Homosexualität zwischen der römisch-katholischen Kirche und den Reformatoren nicht strittig. Bis heute hat ein lehrmäßiger globaler, ökumenischer magnus consensus Bestand,  angesichts dessen die Versuche, Homosexualität zu rechtfertigen, faktisch schismatisch und sektiererisch wirken. Einschlägige Äußerungen Luthers lassen keinen Zweifel daran, dass er dem christlichen magnus consensus (der großen Übereinstimmung) folgt. Das Ansinnen der Männer aus Sodom, sich über einen fremden Mann herzumachen, bezeichnet er als „widernatürlich“ („contra naturam“) und „Verkehrtheit“ („perversitas“; WA 43, 57). Im Traubüchlein, das zu den Bekenntnisschriften zählt, beschreibt der Reformator die Ehe als einen weltlichen Stand nach Gottes Wort, d.h. eine für jedermann verbindliche Lebensordnung Gottes (BSLK 529). Das bringen die vorgeschlagenen Schriftlesungen (1.Mo 2,18; 2,21-24; Eph 5,22-29) deutlich zum Ausdruck. Sie lassen keinen Raum für die dem biblischen Denken fremde Vorstellung, eine Ehe könnte durch zwei Männer oder zwei Frauen gebildet werden. So kommt das evangelische Schriftprinzip zur Geltung, die unbedingte Vorrangstellung des Wortes Gottes. Eine evangelische Theologie, die in einer konkreten Frage ausgerechnet im Jubiläumsjahr 2017 gegen Schrift und Bekenntnis votiert, ist nicht mehr evangelische Theologie im reformatorischen Sinne.

  1. Wir definieren, was Sünde ist?

Die Synode ist sich dessen bewusst, dass eine Kirche nicht einfach irgendeine Neuerung einführen kann, sondern dass alles Neue verfassungskonform sein muss. Das heißt: Es muss mit der Bindung an Schrift und Bekenntnis übereinstimmen. Die Kontinuität zum originalen Evangelium und damit zum echten Christentum muss nachgewiesen werden können. Die Diskussion erweckt den Eindruck, dass man zwar um diese notwendige Prüfung weiß, aber bei der Beschäftigung mit Texten das Bewusstsein dafür verloren hat, dass es um die Offenbarung des lebendigen Gottes geht, vor dem sich die Kirche zu verantworten hat. Ist sich das kirchenleitende Gremium bewusst, dass es einem aktuell lebendigen, gegenwärtigen Gott gegenübersteht und absolut untersteht? Nimmt man ernst, dass dieser Gott seine Abscheu über die Verkehrung der Mann-Frau-Beziehung erklärt hat? Ist man sich darüber im Klaren, dass Gott allein definiert, was Sünde ist, und niemals der sündige Mensch? Gibt es irgendwelche Anzeichen dafür, dass Gott im Laufe der Zeit seine Ansichten über die christliche Ethik und die gültigen Gebote, wie von Jesus und den Aposteln abschließend gelehrt, vor allem auch im Römerbrief Kapitel 1, geändert habe? Auf welche neue Offenbarung oder welches Recht will sich das Kirchenvolk berufen, die Anordnung des Herrn der Kirche eigenmächtig abzuändern und neu zu definieren, was plötzlich gut sein soll in Gottes Augen?  Die Rechtfertigung der Sünde ist die Spitzenleistung der Rebellion gegen Gottes Majestät und Heiligkeit. Sie bringt die Gefahr mit sich, aus Gottes Reich ausgeschlossen zu werden und dem Gericht Gottes zu verfallen (1.Kor 6,9f; Rö 1,32).

  1. Eine öffentliche Segnung ist keine Trauung?

Der Oberkirchenrat erklärt die Absicht, die Amtshandlung an einem gleichgeschlechtlichen Paar von der Trauung von Eheleuten zu unterscheiden. Man folge nicht dem neuen staatlich definierten Eheverständnis.

Der vom Bundestag 2017 neu gefasste Ehebegriff, der nun auch eingetragene Lebenspartner-schaften einschließt, stellt einen Bruch mit der deutschen Sprache und Kultur seit ältester Zeit dar. Eine öffentlichkeitswirksame, kritische, ökumenische Stellungnahme der Kirchen zu diesem Eingriff in das Kulturgut ist mir nicht bekannt. Wenn die Politik von heute auf morgen traditionelle Begriffe umprägt, ist das ein Hinweis auf neue Ideologie. Die neue Lehre über die vielfältigen Geschlechter und gleich gültigen Geschlechterbeziehungen wird zur Norm für Recht und Sprache in Konkurrenz zur christlichen Lehre, die abendländisches Recht und Sprache mit geschaffen hat. Wenn die Kirche diese neue Norm zu Recht nicht akzeptiert, sollte sie auch keine Kirchengesetze vorschlagen, in denen von der „Ehe“ von Mann und Mann und Frau und Frau die Rede ist. Sie dürfte dann auch die entsprechende Verpartnerung in ihrem Amtsblatt nicht als „Eheschließung“ anzeigen, wie kürzlich im Blick auf eine Stuttgarter Pfarrerin geschehen.

Die evangelische Trauung ist nichts anderes als eine öffentliche Segnung eines Paares, das nach bürgerlichem Recht die Ehe geschlossen hat. Deshalb gibt es keinen grundsätzlichen Unterschied zu einer öffentlichen Segnung eines Homopaares. Die intendierte Unterscheidung kann nur eine künstliche, äußerliche sein, die in der Öffentlichkeit weder verstanden noch wahrgenommen werden wird. Eine solche Spitzfindigkeit erinnert an die Diskussionen von Jesus mit den Pharisäern, die es durch ihre raffinierten Regeln fertigbrachten, Gottes Wort und Ordnung außer Kraft zu setzen.

  1. Einigung durch Durchsetzung der Irrlehre?

Bischof July wird folgendermaßen zitiert: „Mein Einigungswerk im Umgang mit gleichgeschlecht-lichen Paaren ist noch längst nicht getan.“ Der Bischof versteht die Abstimmungsmehrheit der Synode offensichtlich als Auftrag, in der Sache öffentlicher Segnung von Homopaaren weiter aktiv zu bleiben. Damit wird das Votum der Synode gegen die Einführung einer entsprechenden Amtshandlung und Agende nicht wirklich ernst genommen. Der leitende Repräsentant der Kirche zeigt sich unverhüllt parteiisch. Er geht davon aus, dass die Gruppe, die sich gegen eine in 2000 Jahren Kirchengeschichte einzigartige, grundstürzende Neuerung ausspricht, die nicht konsensfähige Segnung im Sinne des Zeitgeistes irgendwann einfach akzeptieren muss. Die Durchsetzung einer Segnung, die nach einer Segnung der sündigen Lebensform aussieht, wird als Dienst an der Einheit der Kirche verkauft. Die Einheit der Kirche ist aber eine Einheit in der Wahrheit (Joh 7,17.19; Eph 4,3-6). Der Zerbruch der gemeinsamen Lehrbasis, die von Jesus und den Aposteln gelegt ist und die nicht geändert werden kann (Eph 2,20), führt auch zu einem inneren Zerbrechen der Kirche. Deshalb fordern die Apostel die Distanzierung von Irrlehre und die Trennung von Irrlehrern (Gal 1,6-10; Rö 16,17). Wer das lehrmäßig Verkehrte und Scheinchristliche nicht mehr erkennt und fernhält, sondern rechtfertigt und integriert, betreibt die Destruktion der Kirche.

  1. Nur Segnung ist angemessene Seelsorge?

Die Einführung einer Segnung für gleichgeschlechtliche Lebenspartner wird vom seelsorgerlichen Auftrag her begründet. Seelsorge versteht man demnach so, dass die Kirche auf die Bitte um Segnung mit der Einführung einer entsprechenden Amtshandlung antwortet. Doch Seelsorge besteht nach neutestamentlichem Verständnis nicht einfach darin, wahllos Segen zuzusprechen und jeden Wunsch nach religiöser Begleitung zu erfüllen. Die Menschen, die Jesus begegneten, begegneten der Menschenfreundlichkeit und Liebe Gottes in Person, konkret: der Heilung, der Hilfe, dem Zuspruch. Gleichzeitig aber wurden sie mit dem Anspruch Gottes konfrontiert, die Gebote ernst zu nehmen, von der Sünde zu lassen und in das neue Leben der Christusnachfolge aufzubrechen. Diese Konfrontation führte immer wieder zu Unmut und zur Trennung von Jesus, z.B. im Fall des reichen Jünglings. Eine Seelsorge nach diesem Vorbild spricht die Liebe und Barmherzigkeit Gottes zu, die zu Sündenerkenntnis, Umkehr und Lebenserneuerung führt. Für den Menschen mit gleichgeschlechtlicher Neigung bedeutet das, dass er als Mensch Annahme und Bestätigung erfahren darf, aber seine Lebenspraxis nicht als Schöpfungsvariante, Schicksal und Handlungszwang deuten und rechtfertigen darf. „Wer Sünde tut, der ist der Sünde Knecht“, erklärt Jesus. „Wenn euch nun der Sohn frei macht, so seid ihr wirklich frei.“ (Joh 8,34.36) Weil die Befreiung zum Lebensweg mit Gott bei gleichzeitiger bleibender gleichgeschlechtlicher Neigung oft ein schwieriger, langwieriger Prozess ist, wie es biblisch orientierte Seelsorger mitteilen, sind um so mehr verstärkte Bemühungen um entsprechende Schulungen und Formen der Begleitung nötig. Das ändert aber nichts daran, dass Seelsorge nicht dazu ermächtigt ist, Gottes Gebot und Willen zu ermäßigen und abzuändern. Vielmehr fordern die Apostel in Übereinstimmung mit Jesus, dass sich die Gemeinde vom uneinsichtigen Sünder trennen muss, bevor der Sünder die Gemeinde zur Akzeptanz zwingt und umprägt (Mt 18,17; 1.Kor 5,5-8). Allerdings ist dies eine allerletzte Konsequenz. Zuvor sind Christen aufgerufen, einen geduldigen, geschwisterlichen, barmherzigen Weg der Mahnung und der Hilfe mit dem Menschen auf Abwegen zu gehen (Gal 6,1). An dieser Stelle hat sicher jede Gemeinde Nachholbedarf.

  1. Unveränderliche Orientierung?

Die synodale Diskussion, wie sie kurz zusammengefasst im Synodenbericht vorgestellt wird, geht nicht auf die Frage der Veränderbarkeit des gleichgeschlechtlichen Lebensstils ein. In der Regel wird von den entsprechenden Lobbygruppen die Unveränderbarkeit der sexuellen Identität behauptet, im Widerspruch zur Gendertheorie, die von der Veränderbarkeit der geschlechtlichen Identität ausgeht. In einem Vortrag am 12. Juni 2017 in Fellbach erklärte der Fachmann für Genetik Prof. Axel Meyer (Universität Konstanz), dass sich homosexuelles Verhalten nicht einfach aus dem genetischen Programm erklären lasse; die epigenetischen Faktoren müssten berück-sichtigt werden. Der Mensch ist nicht einfach programmiert auf ein bestimmtes Fühlen und Verhalten, sondern entwickelt sich darin unter dem Einfluss seiner Umgebung auf seine Gefühlswelt und sein Denken.

Ein Beispiel dafür, dass die Begegnung mit dem Evangelium zur Umorientierung im Blick auf die Lebensform führen kann, ist das Zeugnis von Frau Janin Abendroth (Christl. Medienmagazin PRO 6/2016, 24-26): „Ich war atheistisch, lesbisch und voller Vorurteile gegen Kirche und Glauben.“ Auf einem Flug nach Stuttgart begegnet sie zwei Jugendlichen, die zu einer großen Anbetungs-veranstaltung unterwegs sind. Als sich ihre Lebensgefährtin von ihr trennt, fragt sie die Christen nach Lebenshilfe. Der Hinweis auf Rö 10,13 („Jeder, der den Namen des Herrn anruft, soll gerettet werden“) löst bei ihr eine Reise in Richtung Glaube aus. Sie reflektiert ihre lesbische Orientierung: „Ich verstand zum ersten Mal: Es gab viele Gründe in meiner Vergangenheit, warum ich lesbisch geworden war. Mir wurde klar, dass ich Männer nicht in meiner Nähe mochte, weil ich sie immer mit Alkohol in Verbindung gebracht hatte. Wer will schon was mit aggressiven Schlägertypen anfangen – also habe ich mich nach dem Weiblichen gesehnt.“ Frau Abendroth fragt nun nach dem Willen Gottes. Sie heiratet ihren besten Freund, der zur selben Zeit zum Glauben kommt, und wird mit ihm glücklich. Ihr lesbischer Freundeskreis reagiert mit Skepsis und Unverständnis. Ihr Fazit: „Ich freue mich riesig über das, was mir geschehen ist. Es ist so, als ob der Filter, mit dem ich fühle, gereinigt worden ist.“ Diese Möglichkeit der Lebensveränderung, die durch eine amtliche Segnung verdeckt, vielleicht sogar verhindert werden würde, sollten Christen in einer Zeit der Verwirrung des Wissens über Geschlecht und Ehe vor allem bezeugen.