Zum „Coming-In“ gesellt sich das „Get out“
Dr. Markus Till hat in seinem Artikel „Mein Traum geht in die Verlängerung (2)“ auf die Coming-in-Tagung in Niederhöchstadt am 10.9.2022 reagiert, speziell auf einen Vortrag, den Dr. Michael Diener dort hielt.
Er schreibt: „Auf der diesjährigen Coming-In-Tagung in Niederhöchststadt verglich Michael Diener seine Hinwendung zur progressiven Sexualethik mit dem biblischen Saulus/Paulus-Ereignis. Früher habe er andere Menschen ‚diskriminiert, falsch beraten, ihnen so Schaden zugefügt‘ und ‚die Gnade, die Liebe Gottes, das Evangelium […] viel kleiner gemacht‘. Christliche Gemeinschaften, die seinen Weg nicht mitgehen wollen, bezeichnet er als ‚abgeschlossene Gruppen‘, in denen ein ‚Zeitgeist von vorgestern‘ herrscht, und die ‚ohne Impuls von außen nicht in der Lage sind, sich dem Wirken des lebendigen Geistes Gottes […] zu öffnen‘. ‚Mit aus dem Zusammenhang gerissenen Bibelzitaten wollen sich manche durch eine komplexe Zeit navigieren. Die Bibel wird so aber überfordert und ungeistlich missbraucht.‘ Auf der Tagung ist davon die Rede, dass die Sünde der Ausgrenzung aufhören müsse. Ein guter Freund von mir reagierte mit den Worten: ‚Wenn er Recht hat, bin ich ein selbstgerechter, verdammter Irrlehrer. Eine schärfere Infragestellung habe ich noch nie erlebt.‘“
Der zitierte Freund bin ich. Ich teile die Enttäuschung und die Schmerzen von Markus Till. Aber ich teile auch seine Hoffnung:
„Mein Traum von Einheit in Vielfalt ist zwar immer noch in der Verlängerung. Aber er ist lebendiger denn je! Ich sehe viele Anzeichen, dass jenseits des Postevangelikalismus eine neue Einheit unter Jesusnachfolgern wächst. Das Bewusstsein wird geschärft, wie wichtig und unersetzbar die Hochschätzung der biblischen Autorität für die Einheit der Kirche Jesu ist. Wo die Liebe zu Jesus gelebt wird und die gemeinsame Schrift- und Bekenntnisgrundlage feststeht, da können große Differenzen in der Prägung und in theologischen Randfragen ausgehalten werden. Dort gelingt es auch, Menschen gemeinsam zur Nachfolge Jesu einzuladen. Dort wachsen Gemeinden auch gegen den Trend.
Deshalb werbe ich leidenschaftlich dafür, dabei zu bleiben: Christen sind Christusnachfolger. Sie folgen den Worten ihres Meisters, die sie in der Bibel finden. Ja, diese Worte bestehen aus Buchstaben. Die Buchstaben entfalten ihre Kraft nur durch den Heiligen Geist. Aber der Heilige Geist wird sich niemals gegen den Buchstaben stellen. Nur im Einklang mit Gottes Wort hat die Kirche Jesu Zukunft.“
Ich empfehle die Lektüre des ganzen Artikels: https://blog.aigg.de/?p=6370
Außerdem unbedingt beachten: Markus Hoffmann „Come in heißt Stay out“
Das Institut für Ethik & Werte der Freien Theologischen Hochschule Gießen (FTH), geleitet von Prof. Dr. Christof Raedel, hat in seiner Reihe „Ethik im Diskurs“ als Text Nr. 6 einen Beitrag von Markus Hoffmann veröffentlicht. Titel: „ ‚Come In‘ heißt ‚Stay Out!‘ – Zur Diskussion um die Akzeptanz sexueller Vielfalt in christlichen Gemeinden“.
Markus Hoffmann hat schon geschrieben, bevor es zu der aktuellen Zuspitzung kam:
„… durch die neue scheinbare ‚Willkommenskultur‘ ändert sich einiges. Vor allem für diejenigen, die ‚nicht so sein wollen, wie sie sind‘, sondern das Leben als einen Prozess des Wachstums und der Veränderung verstehen; und für all jene, die ihre sexuelle Orientierung konflikthaft erleben. Mit dieser Anfrage wollen wir auf einige inhaltliche Fallstricke dieser Entwicklung hinweisen und einige Fragen zur Diskussion stellen.“
Hier einige Zwischenüberschriften des Aufsatzes: „Der Mensch wird Maßstab der Schriftauslegung“ – „Willkür im Bereich Sexualität ist die Regel“ – „Sexuelle Verwirrung und Orientierungslosigkeit nimmt zu“ – „Simplifizierung der Sexualität“ – „Die Perspektive von Wachstum und Veränderung geht verloren“ – „Der suchende Mensch braucht die Gemeinde“.
Dieser Artikel erschien im Original zuvor im Jahresheft „drinnen oder draußen“ (Jg. 24/2021) des Instituts für dialogische und identitätsstiftende Seelsorge und Beratung e.V. (idisb), dessen Leiter Markus Hoffmann ist.
Ulrich Parzany