Jesus und seine Zeugen verkünden keine Botschaft der Allversöhnung

Dr. Christian Stettler ist Pfarrer in Flaach (Schweiz). Der ehemalige Assistent von Professor Peter Stuhlmacher lehrt als Privatdozent an der Universität Zürich und als Professor an der Staatsunabhängigen Theologischen Hochschule Basel. In seinem Vortrag beim Bekenntnistreffen am Samstag, 15. November 2025, in Ostfildern-Ruit wies er darauf hin, dass man im Blick auf die Frage nach der Rettung des Menschen nicht einzelne Bibelstellen aus dem Kontext reißen darf, die danach klingen, als würde der Menschheit ausnahmslos Vergebung der Sünden, Versöhnung mit Gott und die Teilhabe am ewigen Gottesreich geschenkt werden. Zwar will Gott in seiner Liebe alle Menschen retten. Zwar reicht die versöhnende Kraft des Kreuzes von Jesus für die Schuld der ganzen Menschheit aus. Doch nicht jeder Mensch erkennt, dass er auf die Sühnung seiner Sünde angewiesen ist. Nicht jeder Hörer der guten Nachricht lässt sich von Gottes Liebe berühren und gewinnen.
Der Referent wies auf das Evangelium Joh 3,16 hin. Jesus spricht nicht nur von dem Geschenk des ewigen Lebens für die, die glauben, sondern auch von der Verlorenheit derer, die nicht glauben.
Wenn Paulus in 2.Korinther 5 formuliert, dass Gott durch Christus die Welt mit sich selber versöhnte, unterstreicht er damit die Stärke der herrlichen Tat des Erlösers. Er will aber keineswegs sagen, dass die Menschheit seit Golgatha pauschal und automatisch versöhnt sei. Vielmehr wird seit Pfingsten durch den Ruf der Versöhnung dazu eingeladen („Lasst euch versöhnen mit Gott!“). Sie wird dort realisiert, wo Sünde erkannt und Christus bekannt wird, nämlich in der Gemeinschaft der Nachfolger Jesu. Paulus markiert diesen Standort gerade in diesem Abschnitt sehr klar: „Ist jemand in Christus (im Glauben, in der Nachfolge, in der Gemeinde), so ist er eine neue Kreatur.“ (2.Kor 5,17-20).
Der Vorausblick des Offenbarungsbuchs auf das Weltgericht zeigt, dass die zurückgerufenen Toten gerichtet werden nach ihrem Tun und Lassen, aber gerettet werden durch die Eintragung ihres Namens in das Buch des Lebens (Offb 20,12). Diese Eintragung aufgrund von Glaube und Gnade kann revidiert und gelöscht werden, so warnt der Herr seine Gemeinde im vierten Sendschreiben (Offb 3,5). Damit erledigt sich die Vorstellung von einer pauschalen, unverlierbaren Erlösung aller Kirchenmitglieder oder aller Erdenbürger. Diese Vorstellung wird oft nicht offen ausgesprochen, spielt aber eine große Rolle in der heutigen Verkündigung, v.a. im Bereich der Landeskirchen.
Im zweiten Teil der Veranstaltung berichtete Pfr. i.R. Dirk Scheuermann von der Arbeit des Netzwerks Bibel und Bekenntnis, das seit 2016 existiert. Die Homepage des Netzwerks hilft dabei, gute Literatur für Mitarbeiter zu entdecken. Z.B. stellt Ulrich Parzany das Büchlein mit dem Titel „Jesus. An wen sonst sollten wir glauben?“ vor: „Kompakte, klare Information über Jesus. Das bietet Dr. Gerhard Maier dem suchenden Leser in diesem Buch. Der Professor der Theologie und frühere Landesbischof der Evangelischen Kirche von Württemberg ist nicht nur ein durch umfangreiche Auslegungen biblischer Schriften ausgewiesener Gelehrter, sondern auch ein Lehrer mit dem Herzen eines Seelsorgers. Mit großer Liebe erklärt er Satz für Satz den zweiten Artikel des Apostolischen Glaubensbekenntnisses.“ Pfr. Scheuermann, der am Albrecht-Bengel-Haus ein Institut für praktische Theologie aufbaut, lud zum nächsten Treffen des Netzwerks am 11. April 2026 in Bielefeld ein. Ein regionales Treffen wird es am 7. März 2026 in Esslingen geben.
Pfr. Tobias Eißler berichtet von der Arbeit der Pfarrerarbeitsgemeinschaft Confessio. Sie versucht, unter Kollegen zu ermutigen zu aufbauender Gemeindearbeit mit einer klaren Ausrichtung an Schrift und Bekenntnis. Der Confessio-Vorstand diskutierte mit dem theologischen Ausschuss der württembergischen Synode über eine Neufassung des Amtsversprechens, das Pfarrer und Kirchengemeinderäte ablegen. Nach Auffassung von Confessio sollte der Pfarrer als „Diener des Wortes“ angesprochen werden und die Aufgabe, „falscher Lehre, der Unordnung und dem Ärgernis“ in der Kirche zu wehren, nicht verschleiert werden. Pfr. Eißler wies darauf hin, dass die Liturgie des Weltgebetstags 2025 die Anrede an den dreieinigen Gott verfälscht durch die Formel „Schöpferin, Bruder Jesus und die Heilige Geistkraft“. Warum wehren sich nicht mehr mündige Christinnen und Kirchengemeinderäte gegen solche Entstellungen? Der Arbeitskreis von Confessio ist dabei, eine Handreichung zum Thema „Der Welt-Schöpfer und das Welt-Klima“ herauszugeben, weil das Thema Klima offenbar den Glauben an den Schöpfer überschattet oder verdrängt.
Wertvoll waren beim Bekenntnistreffen die Gespräche in der Pause der Begegnung. Die Erwartungen des Veranstalters wurden durch erfreuliche 90 Teilnehmer, auch eine ganze Reihe junger Erwachsener, weit übertroffen.
Videoaufzeichnung von dem Vortrag Dr. Christian Stettlers:



